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100 Tage Nagelbrett: Was die Akupressurmatte kann (und was nicht)

Vor einiger Zeit bin ich in einer Facebook-Gruppe über einen Beitrag zur Akupressurmatte gestolpert. Meine Leidenschaft für überflüssige Props sowie das Versprechen eines entspannten Geistes und Rückens haben mich dann schnell überzeugt, mir so eine Matte anzuschaffen.

Zugegeben, ich habe mich im Vorfeld nicht wirklich informiert, aber wenn das Ding von meiner run-vegan-community approved ist, dann kann es nicht allzu verkehrt sein.

Ich bestellte mir also eine Akupressurmatte in meiner Lieblingsfarbe (grün) und holy shit, der anfängliche Schmerz ist wirklich nicht zu unterschätzen. Aber mal ganz von vorne…

Woher kommt Akupressur?

Wahrscheinlich ist für die meisten Menschen der Begriff Akupunktur geläufiger. Akupressur und -punktur kommen aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), die auf den Philosophien des Taoismus und des Konfuzianismus beruht.

Ich bin keine Expertin in TCM und aus Respekt vor dieser Heilmethode und Tradition, versuche ich die Wirkung in dem mir zugänglichen Maße zu erklären und zu beschreiben, welche Rolle die Anwendung von Akupressur auf den Körper hat.

Gesundheit bedeutet Gleichgewicht der Körperenergien

Zwei sehr bekannte Grundbegriffe aus der TCM sind Yin und Yang. Während Yin für das Ruhende und Weiche steht, beschreibt Yang das Aktive und Bewegte. Diese beiden Wertepaare sollten immer im Gleichgewicht stehen. Zu viel von einem, verursacht eine Dysbalance.

Wer schon mal Yin Yoga praktiziert hat, der*die weiß, dass diese Praxis ebenfalls die taoistische Philosophie einbezieht und ist über den Begriff Meridiane bereits gestolpert.

Meridiane sind Leitbahnen im Körper, durch die das Qi, die aktive Lebensenergie fließt. Die unterschiedlichen Leitbahnen sind unterschiedlichen Organsystemen zugeordnet. Erfährt der Körper einen akuten oder chronischen Schmerz, so ist das Energiegefüge im Ungleichgewicht. Diese Leitbahnen sind aber von außen zugänglich und können stimuliert werden, um das Qi anzuregen oder zu dämpfen.

Was ist der Unterschied zwischen Akupunktur und Akupressur?

In beiden Anwendungen geht es darum, die Energiepunkte eines bestimmten Organsystems zu stimulieren, um die Heilung einer Erkrankung anzuregen. Bei der Akupunktur werden diese Energiepunkte mit der Nadel angeregt, bei der Akupressur hingegen durch das Ausüben von Druck auf die entsprechenden Punkte.

Während man Laien nicht raten würde, sich Nadeln in die Haut zu setzen, kann jedoch eine Selbstbehandlung durch Akupressur in der Regel ohne fatale Nebenwirkungen stattfinden.

Alle, die mal ätzende Kopfschmerzen hatten, wissen, dass leichter Fingerdruck und kreisende Bewegungen auf den Schläfen eine Schmerzlinderung bringen kann. Das ist das Prinzip der Akupressur.

Wie funktioniert das jetzt mit der Matte?

Hast du das Bild eines Menschen vor Augen, der mit dem Rücken auf einem Nagelbrett liegt? So ungefähr funktioniert die Matte. Nur nicht so rabiat, natürlich. Eine Akupressurmatte ist eine Schaumstoffmatte mit einem Überzug, auf dem über 6000 Kunststoffspitzen befestigt sind. Je mehr Spitzen, desto besser verteilt sich der Druck und desto weniger schmerzhaft ist es.

Mittlerweile gibt es Akupressurmatten in allen möglichen Farben und Größen zu kaufen, von preiswert bis teuer, als Matte, Kissen oder Stirnband, ist alles dabei, was das Stachelherz begehrt.

Und wofür wird die Akupressurmatte benutzt?

Die Anwendungsfelder sind vielfältig. Am häufigsten wird die Matte wahrscheinlich bei Verspannungen in der Rückenmuskulatur genutzt. Außerdem wird die Anwendung empfohlen bei:

  • Ischiasschmerzen
  • chronische Rückenschmerzen
  • Nackensteifheit
  • zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung
  • Regeneration nach dem Sport
  • Stress
  • stressbedingten Kopfschmerzen
  • Migräne
  • Schlafstörungen
  • Müdigkeit
Warum hilft die Matte bei den unterschiedlichen Beschwerden?

Die über 6000 Spitzen drücken sich auf die Hautoberfläche und stimulieren somit die unterschiedlichen Akupressurpunkte. Es wird davon ausgegangen, dass der dadurch entstehende Schmerz die Selbstheilung des Körpers anregt. Die Durchblutung wird gefördert, löst Blockaden und weil der Körper durch den gesetzten Schmerzreiz denkt: „Ach du Schreck, was ist das denn?“, beginnt er Hormone auszusenden, die den Heilungsprozess anregen (und das Schmerzempfinden lindern).

Mein 100-Tage Selbstexperiment

Ich habe mir die Akupressurmatte bestellt, weil 2020 nicht gerade das Jahr von Massagen und Saunagängen war und ich wie die meisten Menschen sehr oft im Nacken und Rücken verspannt bin. Ich wollte ein bisschen Wellness für Zuhause und stellte fest, dass ich zunächst ein Abhärtungstraining absolvieren musste.

Sobald die Matte ausgepackt war, legte ich sie auf den Wohnzimmerteppich und legte mich mit einem T-Shirt drauf.

Ergebnis: nichts.

Der Stoff war wohl zu dick und ich habe nicht viel von den Spitzen gespürt, also habe ich mich mit dem nackten Rücken direkt draufgelegt.

Oh je, wie soll man das denn bitte 20 Minuten aushalten???????

Schnell stand ich wieder auf und habe erstmal einen Blick in die beiliegende Broschüre geworfen. Nach fünf Minuten sollte der Schmerz nachlassen und eine wohlig warme Wärme im Körper entstehen. Die empfohlene Liegezeit sei 20 Minuten, aber man könne auch auf der Matte einschlafen oder sie für einen kürzeren Zeitraum verwenden.

Etwas skeptisch aber angespornt legte ich mich wieder auf die Matte, legte meine Hände auf den Bauch und habe mich auf meine Atmung konzentriert. In den ersten Minuten dachte ich, mir wird gleich schwindelig vom Schmerz und ich falle in Ohnmacht. Aber dann wurde es langsam besser. Und erstaunlicherweise war es dann ab einem gewissen Zeitpunkt (der sich ehrlicherweise wie 3 Stunden anfühlte) angenehm. Magic.

Meine Tipps für die ersten Anwendungen
  • Lege dich mit der Akupressurmatte erst auf die Couch oder auf’s Bett (weicher Untergrund gibt nach und es ist nicht zu schmerzhaft)
  • Wenn du auf dem Rücken liegst, lasse die Beine lang. Bei angewinkelten Beinen erhöht sich der Druck auf den Rücken und du spürst gefühlt jede einzelne fiese Spitze
  • Höre ein Hörspiel oder Podcast (Ablenkung)
  • Stelle dir einen Timer auf 6 Minuten
  • Decke dich zu
  • Benutze die Matte in der Anfangszeit fast täglich für den Gewöhnungseffekt
  • zügig „aufstehen“ bzw. zügig über die Seite hochkommen (Du wirst sehen wieso)
Akupressurmatte im Training

Ich gebe zu, die Matte für einen erholten und durchbluteten Rücken einzusetzen ist schon sehr gut, aber sie kann auch sehr smart im Training eingesetzt werden.

Yoga

Nach einer Yogaeinheit eignet sich die Akupressurmatte gut für die Abschlussentspannung, Shavasana. Warm zudecken und die Körperarbeit nachspüren, versinken, entspannen, meditieren…. Klappt sehr gut und kann ich nur empfehlen, es auszuprobieren, wenn ihr Yoga praktiziert.

Faszientraining

Eine zeitlang habe ich die Akupressurmatte in Kombination mit der Faszienrolle eingesetzt. 10 Mal Ausrollen, anschließend 15-20 Minuten auf der Matte haben gutgetan aber ich hatte auch das Gefühl, dass meine Muskeln weniger angespannt wurden.

(Tanz)Training

Nach einem intensiven Tanz- oder Balletttraining fühlt sich meine Lendenwirbelsäule manchmal überbeansprucht an und zieht unangenehm (Meistens ist das allerdings nach einem Sitztag der Fall). Als abschließenden Teil des Abwärmens und zur Entspannung rolle ich die Matte ein und lege sie unter die Lendenwirbelsäule. Piekst höllisch aber lindert die Verspannung.

Für die Füße ist die Matte auch wunderbar. Bisher habe ich es allerdings nicht geschafft, mehrere Minuten barfuß auf ihr zu stehen. Aber zur Lockerung der Plantarfaszie, ergänzend mit einem Faszienball, reichen meiner Meinung nach auch wenige Minuten aus.

Wann mir die Matte außerdem geholfen hat
Muskelverspannungen

Nach einem intensiven Training oder einem langen Lauf bin ich zwar abends heftig k.o. aber die Wadenmuskeln beginnen zu schmerzen und fühlen sich verkrampft an. Einmal war es so unangenehm, dass ich gar nicht gut schlafen konnte und nachts ständig wach wurde. Ich habe mir die Matte unter die Waden gelegt und das hat richtig gut geholfen. Habe mich anschließend noch mit dem Rücken auf die Matte gelegt und fühlte mich entspannter, gelockert und konnte danach gut durchschlafen.

Mittlerweile schlafe ich auch abends regelmäßig auf der Matte ein, by the way. Es geht also tatsächlich.

Kopfschmerzen

Bei starken Kopfschmerzen habe ich mir die Matte eingerollt und unter den Nacken gelegt, so dass die Spitzen aber auch am unteren Teil des Schädels zu spüren waren. Ich denke, es war vermutlich eine Kombination aus Ruhe, Wasser trinken und Akupressur, aber die Schmerzen wurden nach 45 Minuten tatsächlich besser, was ich mit Schmerztabletten vorher leider nicht erreicht hatte.

Was muss ich beachten, wenn ich die Akupressurmatte anwenden will?

Wenn du Erkrankungen oder Bedenken hast, dann konsultiere eine Fachkraft, bitte! Das kann eine Hausärztin sein, Orthopädin, Physiotherapeutin, Osteopathin, Trainerin, Heilpraktikerin….

Ich bin auch in einer Facebook Gruppe zu diesem Thema und der Austausch ist ganz interessant, denn was ich so mitbekommen habe (und bei mir komplett anders ist), kann folgendes bei Benutzung der Akupressurmatte auftreten:

  • schlechter Schlaf wenn die Matte direkt vor dem Einschlafen benutzt wird
  • allergische Hautreaktionen
  • gar kein Effekt oder ein sehr geringer
  • Atembeschwerden
  • ist unbequem (Größe, Format, Ausführung)
  • die Katze beschlagnahmt die Matte

Meine Erfahrungen waren überwiegend positiv, aber da jeder Mensch unterschiedlich reagiert, rate ich zu einer Vorabrecherche, wenn ihr Bedenken habt.

Welche Matte ist gut?

Wie anfangs gesagt, gibt es viele Hersteller:innen und Modelle. Ich selbst habe die ShaktiMat (unbezahlte Werbung, hab sie mir selbst gekauft) und bin sehr zufrieden mit dem Material, der Spitzenstärke, nur ist sie nicht ganz günstig mit 59 €, aber keine Schadstoffe und faire Produktion, laut Unternehmen. Von Shakti gibt es noch ein Stirnband und eine Nackenrolle, das habe ich aber beides nicht. Ich finde es ausreichend, die Matte einzurollen und dann in den Nacken zu legen und so hat man nicht unzählige Props. Aber es gibt viele Menschen, die das super finden und alle Produkte haben, also go for it.

Wie es bei anderen Firmen ist, habe ich nicht getestet, aber laut Facebook-Community ist wichtig darauf zu achten, dass die Spitzen auch spitz genug sind, weil es sonst wenig effektiv ist. Bei einigen sehr günstigen Modellen kann es vorkommen, dass die Spitzen zu rund sind. Es gibt auf jeden Fall mehrere Hersteller:innen, die preiswerte Angebote haben und ein gutes Produkt liefern.

Also: Bisschen recherchieren, Testberichte lesen, vergleichen und dann findet sich schon eine gute Matte. Vielleicht gibt es ja auch im näheren Umfeld eine Person mit einer Matte, die ihr euch zum Testen leihen könnt.

Was die Akupressurmatte für mich nicht leisten kann

Meine Müdigkeit hat die Matte nicht weggezaubert und verspannt ist mein Rücken dennoch regelmäßig. Die Anwendung der Matte ist gut und als Ergänzung im Training für die Regeneration ein Gewinn, aber das alleine löst dennoch keine Schmerzen durch langes Sitzen oder angewöhnte Bewegungsmuster. Ich hatte auch eine zeitlang Ischiasschmerzen, aber da reicht die Matte alleine auch nicht aus, sie wirkt nun mal nur auf der oberflächlichen Muskulatur und kann Heilungsprozesse unterstützen, aber nicht heilen.

Dies waren meine persönlichen Erfahrungen mit Akupressur, also kann es bei einer anderen Person zu anderen Ergebnisse führen.

Fazit

Ich finde meine Matte großartig, sie sieht hübsch aus, ich schlafe regelmäßig auf ihr ein und sie unterstützt meine Regeneration nach intensivem Training. Eine Massage ersetzt sie überhaupt nicht und ich sehne mich immer noch nach Sauna.

Für alle Interessierten: Probiert es echt mal aus aber versteckt es vor euren Katzen, falls ihr welche habt.

Und für alle, die eine Matte haben aber nach 30 Sekunden aufgegeben haben: Probiere meine Tipps aus oder ziehe ein dünnes Shirt an und wenn es dann immer noch nichts für dich ist, dann kannste sie immer noch spenden, verkaufen oder deiner Katze schenken.

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