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Der Tanz gehört uns allen! Happy World ballet day 2020

Drei Fragen – Vier Tänzerinnen – Eine Vision

Am diesjährigen world ballet day geht es nicht um die Stars und Sternchen der Ballettwelt, nicht um die Geheimnisse von Flexibilität oder die besten Tricks für’s Spitzenschuh-Fitting – Das Rampenlicht gehört den Ballettpädagog:innen, die sich jeden Tag leidenschaftlich dafür einsetzen, Ballett für alle zugänglich zu machen und gegen Vorurteile in der Tanzwelt ankämpfen.

Sie lassen Spitzenschuhträume wahr werden, öffnen Kindern die Welt der Bühne und legen den ersten Grundstein in der Tanzausbildung der nächsten Profi-Generation. Sie leisten einen enorm wichtigen Beitrag für Kultur und Bildung.

Es sind nämlich die lokalen Tanzschaffenden, die unsere Tanzwelt zum Leben erwecken, Brücken zwischen Menschen schlagen und die Szene bereichern. Am world ballet day teilen vier Tänzerinnen ihre schönsten Momente, Inspirationen und Visionen aus der Welt des klassischen Tanzes.

„It’s time to write our own story.“

Misty Copeland
3 Fragen an… Marion Flor

Marion führt in Pfungstadt ihre eigene Ballettschule mein tanzraum. Dort unterrichtet sie Ballett und Modernen Tanz.

Welches war dein schönstes Erlebnis im Ballettsaal?

Ich hatte sehr viele schöne Erlebnisse im Ballettsaal, denn für mich ist jedes Training wie eine kleine Aufführung. Einen Schlüsselmoment hatte ich im Teenager-Alter als ich mein erstes kleines Solo vor meinen Tanzkolleg:innen und meiner Lehrerin zeigen sollte. Ich hatte das erste Mal das Gefühl, dass nur der Moment zählt und alles andere, was drum herum und davor und danach geschah, unbedeutend wurde. Noch heute ist es für mich das wichtigste im Tanz „in dem einen Moment zu sein“ und nur dort, nirgendwo anders. Das ist wohl auch der Grund, warum es mir nach jeder Tanzklasse besser geht als davor.

Marion Flor, Pfungstadt

Welches Ballett oder welche Rolle hat bei dir am meisten Endruck hinterlassen und warum?

Für mich war der schwarze Schwan immer die faszinierendste Rolle von allen. Sie ist vielschichtig und zeigt eine andere Seite der Frau im klassischen Ballett.

Wünsch dir was: Wie sieht deine Ballettwelt in 50 Jahren aus?

Ich wünsche mir, dass Ballett und Tanz eine wichtigere Rolle in unserer Welt bekommen und Tanz zugänglicher für Menschen gemacht wird. Es wäre schön, wenn sich das konservative Bild über Ballett und Tanz in den Köpfen der Menschen löst und nicht mehr in Schubladen gedacht wird. Ich habe den Eindruck, dass viele entweder Tanz als Kunst sehen, zu der nicht alle einen Zugang finden, oder sie kennen ausschließlich den „kommerziellen“ Tanz, der in den Medien zu sehen ist. Ich wünsche mir hier eine Annäherung, denn Tanz ist so vielschichtig und kann unsere Kultur um so vieles bereichern.

Mehr über Marion und ihre Schule findest du auf ihrer Website bei mein tanzraum

3 Fragen an… Ingunn Hahn

Ingunn lebt in Hamm unterrichtet Ballett und studiert an der Royal Academy of Dance Ballettpädagogik.

Ingunn im Ballettsaal

Welches war dein schönstes Erlebnis im Ballettsaal?

Es gibt in meinen Augen viele kleine Ereignisse, die prägend sind -Vor allem ist es enorm bereichernd, kurz vor einer Aufführung oder Prüfung zu merken, was man als Gruppe auf die Beine gestellt und erreicht hat, weil alle am selben Strang gezogen haben. Außerdem finde ich es immer schön, wenn man über sich selbst hinauswächst, indem man etwas tut, was man sich vielleicht gar nicht zugetraut hat. Das sind häufig auch Momente, in denen endlich etwas klappt und hartes Training sich bezahlt macht.

Welches Ballett oder welche Rolle hat bei dir am meisten Endruck hinterlassen und warum?

Für mich ist das Ballett La Fille Mal Gardée ein besonderes, weil es sich doch recht stark von „Klassikern“ wie Schwanensee, La Bayadere oder ähnlichen unterscheidet. Diese Stücke, die ich zwar auch wunderbar finde, sind häufig eher dunkel und die Geschichten dramatisch und zeitweise auch deprimierend.

La Fille Mal Gardée hat es mir in der Hinsicht angetan, dass es so ein fröhliches und durchaus komödiantisches Stück ist. Man muss oft schmunzeln oder lachen, weil vieles sehr überspitzt dargestellt ist, was ich für ein Ballett eher untypisch finde, aber beim Zugucken große Freude macht, weil man die heitere Stimmung auf der Bühne spüren kann.

Außerdem hat die Protagonistin meiner Meinung nach eine sehr starke Persönlichkeit, was ebenfalls untypisch für Ballette der damaligen Zeit ist. Sie hat ihren eigenen Kopf; weiß genau, was sie will und kann sich sehr gut durchsetzen. Trotzdem hat sie eine kindliche, unbefangene Seite und treibt gerne Späße mit ihrem Umfeld, was sehr charmant ist.

Wünsch dir was: Wie sieht deine Ballettwelt in 50 Jahren aus?

Da die Ballettwelt langsam anfängt sich zu verändern und toleranter zu werden, hoffe ich, dass sich im Laufe der Zeit mehr Nischen für verschiedene Arten von Tänzern entwickeln und die Stereotype aus den Köpfen der Leute verschwinden. Damit sind sowohl die Menschen der „normalen“ Bevölkerung gemeint, als auch die der Personen, die im tänzerischen Bereich tätig sind. Man sollte sich mehr von der Idealvorstellung eines Tänzers oder einer Tänzerin lösen, weil oft ungenutztes Potential übersehen oder ausgeschlossen wird, nur weil bestimmte Kriterien nicht erfüllt sind. Stattdessen fände ich es schön, wenn Ballett zukünftig ein offenerer Bereich ist, zu dem alle Zugang haben und der nicht abschreckend wirkt, nur weil er zu „exklusiv“ erscheint.

3 Fragen an… Charlotte Fricke

Charlotte unterrichtete leidenschaftlich verschiedene Altersstufen in Bremen und ist nun für ihr Studium nach Fulda gezogen.

Welches Ballett oder welche Rolle hat bei dir am meisten Endruck hinterlassen und warum?

La Bayadere ist mir sehr in Erinnerung geblieben, vor allem die Version, die in The White Crow gezeigt wird, also wo Rudolf Nureyev’s Version gezeigt wird. Die Tänze sind so dynamisch und vor allem das Hochzeitsstück, bei dem der Solist praktisch über die Bühne fliegt – total mitreißend.

Welches war dein schönstes Erlebnis im Ballettsaal?

Ich finde es sehr schwer, nur einen Moment auszuwählen, weil es so viele tolle Erlebnisse gibt. Das, was mich auch jetzt noch total zum Schmunzeln bringt, ist die Erinnerung an eine meiner ersten Vertretungsstunden, nach der ein Kind zu mir sagte: “Kannst du nicht jede Woche kommen?” Da hab ich dann das Gefühl bekommen: cool, du hast was richtig gemacht!

Charlotte in der Rolle „die kleine Meerjungfrau“

Wünsch dir was: Wie sieht deine Ballettwelt in 50 Jahren aus?

Divers! Ich würde mich freuen, wenn es noch mehr Möglichkeiten für Dancers of Color gäbe, in den Hauptrollen, aber auch als Choreograph:innen. Auch Tänzer:innen, die auf den ersten Blick nicht dem klassisch geforderten Ideal entsprechen, würde ich gerne mehr auf den Bühnen sehen – beispielsweise Tänzer:innen mit Behinderung. Denn Tanz ist für alle da!

3 Fragen an… Katharina Riebschläger

Katie leitet ihre Ballettschule ballet factory in Emden sowie die MDNZ Dance Company. Dieses Jahr hat sie erfolgreich ihren gemeinnützigen Verein WanderDANZ e.V. gegründet und setzt sich damit jeden Tag dafür ein, die Welt durch Tanz ein Stückchen besser zu machen.

Katharina Riebschläger

Welches war dein schönstes Erlebnis im Ballettsaal?

Ein besonderer Moment für mich als Tänzerin war die Zeit als Gasttänzerin im Staatstheater Temeschburg in Rumänien. Es gab einen Moment am späten Abend eines Probentages, wo ich alleine in den Tanzsälen des Theaters trainieren konnte. Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen.

Ein weiterer besonderer und unvergesslicher Moment war die erste Hauptprobe der ersten Aufführung in meiner eigenen Schule. Das Gefühl zu erleben, wenn ein Stück, das du selber kreiert hast, endlich zusammen gesetzt wird mit allem was vorher nur in deinem Kopf entstanden ist, war unbeschreiblich und sehr emotional.

Welches Ballett oder welche Rolle hat bei dir am meisten Endruck hinterlassen und warum?

Ich kann mich immer sehr schlecht auf eine Sache festlegen, denn Faszination üben so viele Tanzmomente, Geschichten, Rollen auf mich aus.

Prinzipiell bleiben bei mir eher zeitgenössische Stücke oder Soloperformances besonders in Erinnerung, die ein gesellschaftskritisches Thema aufgreifen oder die sich mit einer Thematik befassen, die mich berührt und inspiriert. So sind es tatsächlich meist die kleinen Produktionen, die Eindruck hinterlassen, wie Performances beim Tangente Dance Festival in Berlin oder ein Stück von Chaim Gebber „How to kill my Fairy Tales“. Zudem inspirieren mich die Stücke von Sasha Waltz.

Wünsch dir was: Wie sieht deine Ballettwelt in 50 Jahren aus?

Meine Ballettbühnenwelt in 50 Jahren wird weniger geprägt sein von Rassismus, tradierten Rollenbildern und veralteten Inhalten. In meiner Ballettwelt wird es ein größeres Spektrum geben an spartenübergreifenden Produktionen, modernerer Themenvielfalt und wahrscheinlich werden die Theater moderner, technisch aufwendiger. Eigentlich würde ich mir wünschen, dass das nicht mehr 50 Jahre dauern würde.

Meine Arbeit in der Ballettschulwelt würde in 50 Jahre mehr von der Gesellschaft wertgeschätzt und in die Allgemeinbildende Ausbildung von künstlerisch interessierten Menschen integriert werden. Es gibt mehr Akzeptanz, Förderungen, Möglichkeiten junge Tänzer:innen auszubilden und Tanz als Ausdruckssprache präsenter zu machen.

„Know that you can start late, look different, be uncertain and still succeed.“

Misty Copeland

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