Kategorien
Kreativität Methoden

Kreativität auf 10 qm

Als Tänzerinnen, Pädagoginnen oder Choreographinnen sind wir tagtäglich kreativ. Wir bekommen Inspirationen aus unserem Umfeld, bei Tanzveranstaltungen, Besuchen von Theatervorstellungen und natürlich von unseren Schülerinnen und Schülern. In eher „inspirationsarmen“ Umgebungen wie zum Beispiel dem Büro kann es aber oft schwierig werden, schöpferisch und ideenreich zu arbeiten. Vor allem die aktuelle Situation der Coronavirus-Pandemie, das Kontaktverbot und häusliche Quarantäne können sehr frustrierend sein. Damit aber nicht eine Kreativitätsblockade die nächste jagt, stelle ich in diesem Beitrag einige Kreativitätstechniken vor, die man alleine und auf kleinstem Raum durchführen kann.

Allgemeines zu Kreativität

Kreativität steckt in jedem Menschen. Da wir alle Individuen sind, gibt es natürlich Menschen, denen es leichter fällt, kreativ zu sein als anderen. Kinder sind grundsätzlich sehr kreativ und je älter wir Menschen werden, desto mehr verlässt uns diese Fähigkeit und wir handeln eher sachlich, routiniert und vernunftbewusst. Das ist auch nichts Schlechtes, denn es ist sinnvoll, dass wir nicht jeden Tag auf´s Neue darüber nachdenken müssen, was wir jetzt mit einer Tasse anstellen sollen, sondern wissen: Tassen sind dazu da, um aus ihnen etwas zu trinken. Und wenn der Henkel einer Tasse kaputt geht, dann können wir sie wegschmeißen oder zum Beispiel als kleinen Blumentopf verwenden. Hier kam unsere natürliche Kreativität ins Spiel.

Kreativität nutzen wir also, wenn wir vor kniffligen Aufgaben stehen oder Probleme lösen müssen. Kreativität nutzen wir auch, um zu gestalten, schöpferisch tätig zu werden oder Ideen umzusetzen. Bestimmte Reize oder die Umgebung inspirieren uns zu Handlungen.

Die kreative Umgebung

Inspirationen und Ideen bekommen wir aus unserem Umfeld. Wenn wir im Café sitzen oder in der Küche kochen, im Tanzsaal oder bei einem Museumsbesuch, im Wald oder Garten, auf einem Konzert oder im Theater. Momentan können wir aber auf diese Reize nicht zurückgreifen und müssen uns in den eigenen vier Wänden arrangieren. Virgina Woolf fragt in ihrem berühmten Essay A Room of One’s Own (1929):

„Welche Bedingungen sind für die Erschaffung von Kunstwerken unerlässlich?“

V. Woolf, Ein eigenes Zimmer, Fischer Taschenbuch, 2019.

Ihre Antwort ist: Ein eigenes Zimmer.* Wir können also selbst auf kleinsem Raum gestalterisch sein, auch wenn wir es anders gewohnt sind.

Um für sich die besten Voraussetzung für eine kreative Atmosphäre zu schaffen, ist es gut, sich vorher daran zu erinnern, in welchen Momenten und in welcher Umgebung man bereits kreativ war. Denn Kreativität ist was Individuelles. Die einen brauchen Ordnung um sich herum, während andere eine chaotische Umgebung bevorzugen. Diese Fragen können dafür hilfreich sein:

  • Welche Geräusche waren im Hintergrund? War es laut oder still? Lief Musik im Hintergrund?
  • Zu welcher Tageszeit war ich kreativ? Kann ich mich bereits morgens auf einen kreativen Prozess einlassen oder muss ich vorher meine Routinen erledigen, um einen „freien Kopf“ zu haben?
  • Habe ich mich bewegt? War ich im Sitzen oder Liegen kreativ?
  • Welches Körpergefühl hatte ich?
  • Welche Emotionen haben mich beeinflusst?

Durch die Beantwortung dieser Fragen können wir uns unsere Umgebung so anpassen, dass es uns leichter fällt, gestalterisch tätig zu sein, auch wenn die Ressourcen zur Zeit begrenzt sind.

Der kreative Prozess

Natürlich werden wir nicht jeden Tag ein Kunstwerk erschaffen können und manchmal sind wir mit den Ergbenissen mehr zufrieden, mal weniger. Wichtig ist allerdings, eine Regelmäßigkeit zu etablieren. Routinen geben uns im Alltag eine Struktur und eine Sicherheit. Das gilt auch für`s Kreativsein, denn eine regelmäßige Session bringt uns positive Energie und neue Erkenntnisse, auf denen wir aufbauen können. Besonders wichtig dabei ist, sich nicht unter Druck zu setzen, etwas Perfektes erschaffen zu wollen. Dies führt nur zu Kreativblockaden und engt uns in unseren Möglichkeiten ein.

Neben der richtigen Umgebung ist Zeit ein weiterer wichtiger Faktor während des kreativen Prozesses. Denn wenn wir erstmal im Flow sind, ist es ärgerlich, wieder rausgerissen zu werden. Es ist nicht immer leicht einzuschätzen, wieviel Zeit man für eine Session einplanen sollte und kommt immer auf die eigenen Bedürfnisse an. Wenn ich bereits eine konkrete Aufgabe oder Idee im Kopf habe, dann nehme ich mir relativ viel Zeit (z.B. einen Nachmittag/Abend) um kreativ zu arbeiten. Hierbei sind Pausen besonders wichtig, um einerseits nicht zu erschöpfen und andererseits, die Verarbeitung im Unterbewusstsein zu ermöglichen. Wenn es darum geht, Ideen zu sammeln oder auf andere Gedanken zu kommen, können 20 bis 30 Minuten auch komplett ausreichen. Wenn ihr an sehr unkreativen Aufgaben sitzt, wie z.B. der Steuererklärung, kann eine (Kreativ)Pause von 10 Minuten die Laune heben (aber nicht anfangen zu prokrastinieren ;)).

Kreativitätstechniken

Jetzt sitzt du in deiner kreativen Umgebung und hast viel Zeit und fragst dich: Was soll ich tun? Wie/wo soll ich anfangen? Ich habe einige allgemeine Techniken herausgesucht, die nützlich sind, um kreative Prozesse anzustoßen:

Brainstorming: Diese Methode ist allseits bekannt und eignet sich perfekt dafür, um erstmal allen Gedanken freien Lauf zu lassen. Vielleicht hast du noch keine konkrete Idee für ein neues Projekt, eine Choreo oder Performance oder suchst nach etwas Neuem, was du in deinen Tanzunterricht einbauen willst? Beim Brainstorming ist alles möglich und du kannst deine Gedanken wirbeln lassen. Schreib alles auf, was dir spontan einfällt, ohne es zu bewerten oder zu hinterfragen. Wenn du Bock hast, nimm dir ein großes Plakat und visualisiere deine Ideen. Dafür reichen 20 bis max. 30 Minuten.

Analogie: Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet Entsprechung/Angleichung. Es geht dabei darum, Ähnlichkeiten aus anderen Bereichen zu der eigenen Aufgabe oder Idee zu suchen. Du hast zum Beispiel das Thema Beziehungen gewählt und möchtest es kreativ umsetzen. Bei der Analogie schaust du, in welchen Bereichen dieses Thema zu finden ist. Du kannst dich fragen, wie und ob Pflanzen Beziehungen pflegen, welche Beziehungen Zahlen zueinander haben oder in welchem Verhältnis Raum und Zeit zueinander stehen. Bei der Analogie geht es ums Fantasieren und darum, sich neue Perspektiven zu eröffnen. Was ist dein Thema und in welchen Bereichen findest du das Gleiche oder etwas Ähnliches?

Synektik: Hierbei geht es darum, etwas in Verbindung zu bringen. Schau dir zufällig ausgewählte Bilder an, z.B. im Internet, in einem Kunstbuch oder einer Zeitschrift. Wenn dir ein Bild besonders ins Auge fällt, dann betrachte es detaillierter: Wer oder was ist auf dem Bild zu sehen? Werden Gefühle transportiert? Wie ist es strukturiert? Welchen Hintergedanken hätte der*die Urheber*in haben können? Was fällt dir alles noch zu dem Bild ein? Wie lässt sich das Bild auf mein Thema übertragen? Am Anfang werden also Assoziationen gebildet, die erstmal nichts mit deinem Projekt zu tun haben. Dadurch werden Denkprozesse unbewusst angeregt, die dir Inspirationen für dein Thema bringen.

Semantische Intuition: Auch hier geht es um das Verbinden von Dingen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, aber auf der Wortebene. Als erstes schreibst du dir ca. 20-25 Wörter zu deinem Thema oder zu deinem Umfeld auf (z.B. Tanz, Schläppchen, Pirouette, Tschaikowsky, Point, ….). Wenn es zusammenhängende Wörter sind, dann trenne sie und schreibe sie einzeln auf (Spitzenschuh = Spitze + Schuh). Anschließend suchst du dir ein komplett anderes Themenfeld (Möbelhaus, Telekommunikation, griechische Mythologie etc.) und schreibst ebenfalls 20-25 Wörter dazu auf. Nun kannst du die Wörter untereinander frei kombinieren. Diese Methode ist sehr gut dafür geeignet, einen Titel für ein Stück oder einen Namen zu finden. Vielleicht liefert es dir aber auch umgekehrt eine Inspiration für eine Übung oder eine Bewegungssequenz.

Kopfstandmethode: Ich persönlich liebe diese Methode, wenn es darum geht, konkrete Aufgaben und Handlungsfelder zu erarbeiten und mir meine ersten Gedanken zu oberflächlich erscheinen. Bei dieser Methode stellst du deine Fragestellung auf den Kopf. Wenn ich also z.B. dabei bin, mit meinen Schülerinnen an ihrem Bühnenausdruck und den performance skills zu arbeiten und mich frage, mit welchen Aufgabenstellungen und welchem Feedback ich sie unterstützen kann, dann drehe ich die Frage um: Was kann ich tun, damit meine Schülerinnen nie lernen, wie sie sich auf der Bühne verhalten sollen und überhaupt nicht wissen, wie sie ihren Ausruck verbessern oder ihre Rolle umsetzen können? Auf diese Frage gebe ich dann die jeweiligen Antworten. Anschließend stelle ich mich gedanklich wieder auf die Füße und kehre die negativen Fragen ins Positive um und habe somit mehrere konkrete Handlungsfelder, die ich in den Unterricht einbringen kann.

Arbeiten mit Quellen: Dies ist keine Kreativitätstechnik im eigentlichen Sinne, aber dennoch ein gutes Mittel, um kreativ zu werden. Suche dir unterschiedliche Quellen, die sich auf dein Thema beziehen oder die dich zur Zeit einfach interessieren. Das kann Literatur sein, Musik, Filme, Kunst oder Technik uvm. Aus diesen unterschiedlichen Themenfeldern kannst du Ideen für deine eigenen Projekte ziehen oder du nutzt die unterschiedlichen Quellen als Recherche für dein Thema.

Kreative Vorbilder: Wir alle kennen Menschen, die wir super inspirierend finden. Das können Personen sein, die in der Öffentlichkeit stehen, Künstler*innen, die wir auf Instagram entdeckt haben, Freundinnen und Freunde oder auch (die eigenen) Kinder. Zum Glück haben wir auch trotz Kontaktverbot die Möglichkeit, digital mit Menschen Kontakt aufzunehmen und uns inspirieren zu lassen.

Ideen umsetzen und Neues ausprobieren

Kreative Ideen wollen auch umgesetzt werden. Wenn du also an einem Thema oder Projekt dran bist und es dich begeistert, dann setze deine Ideen auch um:

  • erstelle einen Aktionsplan
  • benenne die konkreten Schritte und Aufgaben
  • kontaktiere andere Menschen, die dich bei der Umsetzung unterstützen können
  • recherchiere mit unterschiedlichen Quellen viele Details für dein Thema
  • überprüfe deine Umsetzung und passe die Prozesse an

Probiere dich immer wieder in was Neuem aus. Wir haben alle unentdeckte Potentiale und Talente in uns, die wir nur an die Oberfläche holen können, wenn wir offen für Neues sind. Nutze deine kreativen Sessions, um zu zeichnen oder zu malen, Prosa oder Gedichte zu schreiben, fotografieren oder zu filmen, singen oder Musik zu machen. Dir fällt bestimmt etwas ein, was du noch nicht ausprobiert hast und dich interessiert.

Für alle Ideen, die du nicht direkt umsetzten kannst oder willst, empfehle ich dir, einen Ideenspeicher anzulegen. Dies kannst du digital machen oder in Form von Karteikarten, einer kleinen Schatulle mit Notizzetteln, auf einem Plakat oder in einem Notizbuch. So sicherst du all deine kreativen Gedanken und Ergebnisse und kannst immer wieder darauf zurückkommen.

Ich hoffe, du hast einige Anregungen zu deinem kreativen Prozess bekommen und hast Bock, direkt zu starten. Wenn du noch weitere Tipps hast, dann schreibe es gerne in die Kommentare – ich freue mich von dir zu hören!

*Virginia Woolf stellt heraus, dass eine Frau ein eigenes Zimmer und eine finanzielle Absicherung braucht, um schreiben zu können. Die „Erschaffung von Kunstwerken“ lässt sich meiner Meinung nach aber auf alle Künste übertragen, weshalb ich dieses Zitat für den Beitrag inspirierend fand und einbringen wollte. Den finanziellen Aspekt habe ich außer Acht gelassen, da für diesen ein eigener Beitrag nötig wäre. Die Lektüre kann ich nur empfehlen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert