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Ohne Krafttraining keine gute Tanztechnik

„Pass bloß beim Krafttraining auf, dass du nicht zu viel trainierst. Sonst bekommst du große und schwere Muskeln!“ Hast du das auch schon mal gehört? Dieser Mythos hält sich weiterhin hartnäckig in der Tanzwelt: Krafttraining macht Hulk-Muskeln und lässt den tanzenden Körper steifer und schwerfälliger werden.

Diese Fehlannahme führt dazu, dass viele Tänzerinnen und Tänzer ein kontinuierliches Ergänzungstraining vernachlässigen. Sei es aus Zeitmangel (wie soll denn bei so viel Techniktraining noch Krafttraining in den Plan passen?) oder aus Angst, die Muskeln „falsch“ zu trainieren.

Foto: Li Sun von Pexels
Ergänzungstraining verbessert die Tanztechnik

Mehrere trainingswissenschaftliche Studien haben bereits belegt, dass zusätzliches und regelmäßiges Krafttraining bei Tänzer*innen nicht zu einem Technikverlust oder einem sperrigen Muskelwachstum führt. Ganz im Gegenteil: Ergänzendes Krafttraining führt zu einer besseren Technik und zu einer erhöhten Performance-Leistung.

Woran liegt das? Zum einen werden die Muskeln durch regelmäßiges Krafttraining stärker. Zum anderen wird die Kraftausdauer erhöht. Beides führt zu einer besseren Anpassungsfähigkeit der Muskeln bei hoher Belastung und lässt sie langsamer ermüden.

[…] dance training is not sufficient enough to overload the energy and musculoskeletal systems and thus to produce physiological adaptations that will enhance each individual fitness component.“

M. Angiogi, Fitter Dancers Dance Better, IADMS Bulletin Vol. 5

Aus diesem Grund ist es sehr zu empfehlen, dass alle Tänzer*innen, egal aus welcher Tanzrichtung sie kommen, ob Profi oder Nicht-Profi, ein regelmäßiges ergänzendes Krafttraining absolvieren.

Foto: Pixabay
Kraft-Kraftausdauer-Schnellkraft: Wovon reden wir eigentlich?

Vermutlich ist ein Grund, weshalb so viel Unsicherheit oder Unklarheit zum Thema Krafttraining herrscht, die unterschiedliche Begrifflichkeit. Damit wir also wissen, wovon wir reden, wenn wir von „Krafttraining für Tänzer*innen“ reden, schauen wir uns erst die Definitionen an:

Kraft

Muskelkraft bezeichnet hier die Fähigkeit, einen Widerstand zu überwinden. Im Tanz ist der Widerstand in der Regel die Umgebungsluft aber auch die Schwerkraft. Wenn also der Muskel, der aktiv die Bewegung bestimmt, gut trainiert ist, dann ist der Widerstand leichter zu bezwingen.

Deshalb ist es auch so üblich, im Krafttraining mit Widerständen zu arbeiten. Dafür eignen sich am besten Widerstände wie Gewichte, Therabänder, Steigungen oder Wasser.

Kraftausdauer

Kraftausdauer ist ein zusammengesetzter Begriff und deshalb abhängig von zwei Faktoren: Kraft und Ausdauer. So simpel, so bedeutend. Denn am Ende entscheidet die Kraftausdauer darüber, wie schnell wir ermüden. Hier ist also die „Ermüdungswiderstandsfähigkeit“ bei einer länger andauernden, sich wiederholenden Belastung gemeint.

Wie technisch akkurat du also 64 Changements ausführen kannst, liegt an deiner Kraftausdauer.

Schnellkraft

Schnellkraft bezeichnet die Fähigkeit, in einem sehr kurzen Zeitraum, eine explosive und große Leistung zu entfalten. Beispielsweise bei der Ausführung von Grand Battement.

Foto: Pexels-Pixabay
Warum ist Krafttraining für Tänzer*innen so wichtig?

Gut trainierte Muskeln und eine gute Kraftausdauer wirken schnellen Ermüdungen entgegen. Dies hat zwei sehr entscheidende und interessante Folgen:

  1. Schutz vor Verletzungen: Muskeln, die stark und ausdauernd sind, arbeiten ökonomisch. Das heißt, dass beim Ausführen der Bewegungen weniger Kraft verbraucht wird, die anspruchsvollen Schritte akkurater ausgeführt werden können und die Tänzerin so besser vor Verletzungen geschützt ist.
  2. Verbesserung der Tanzkunst und Performance: Hat eine Tänzerin mehr Kraft zur Verfügung, die physisch anspruchsvolle Choreographie durchzuführen, bleibt ihr auch mehr Energie für die künstlerische Interpretation.
Krafttraining planen – aber wie?

Wie bei jeder Trainingsplanung ist auch beim ergänzenden Krafttraining das erstrebte Ziel entscheidend. Jeder Körper ist unterschiedlich und somit sind auch die Bedürfnisse der Tänzer*innen unterschiedlich.

Diese drei Fragen dienen als Ausgangpunkt für die Trainingsplanung:

  • Welche körperlichen Anforderungen verlangt eine bestimmte Tanztechnik?
  • Bei welchen Schritten oder Bewegungen habe ich Schwierigkeiten bei der Ausführung?
  • Habe ich bereits Schmerzen während oder nach der Ausführung einer bestimmten Bewegung?
Foto: Karl Solano von Pexels
Unterschiedliches Ziel bedeutet unterschiedliches Training

Um die erläuterten Fähigkeiten Kraft, Kraftausdauer und Schnellkraft zu trainieren muss unterschiedlich vorgegangen werden:

Kraft wird am besten mit Hilfe von Widerständen aufgebaut. Hier gilt es dabei zu beachten, dass bereits ein kleiner Widerstand ausreicht und sich im Laufe des Trainingsprogramms steigern sollte. Je nach Trainingszustand wählst du den Widerstand aus.

Beispiel: Zunächst benutzt du ein Theraband, um die Ausführung eines Développés zu trainieren, später legst du (leichte) Gewichtsmanschetten an.

Kurze Intervalle, also wenige Wiederholungen reichen hierbei aus.

Foto: Karolina Grabowska von Pexels

Kraftausdauer lässt sich am effektivsten mit längeren Intervallen (Sets) und nur sehr kurzen Erholungspausen dazwischen trainieren. Alternativ kann auch ein durchgehend längerer Zeitraum (20 Minuten – 60 Minuten) mit gleichbleibender Belastung gewählt werden (Laufen am Berg oder Treppenlauf). Das Training der Kraftausdauer ist sehr anstrengend aber die Vorteile für die Tanztechnik überwiegen.

Kraftausdauertraining sollte nach Möglichkeit auch sehr spezifisch sein. Wenn du also die Kraftausder deiner Beinmuskulatur für ein besseres Allegro trainieren willst, dann sollten die Übungen auch vorwiegend die Beinmuskulatur beanspruchen und Sprungbewegungen beinhalten.

Foto: Andrea Piacquardio von Pexels

Schnellkraft hingegen wird mit sehr kurzen Intervallen und maximaler Intensität trainiert. Zwischen den Sets sollten auf jeden Fall längere Erholungspausen liegen, damit der Körper bei einer Wiederholung auch wieder die nötige maximale Leistung einsetzen kann.

Training bedeutet Entwicklung

Immer wieder ein und dasselbe Training mit der gleichen Intensität bringt auf Dauer keinen Trainingsfortschritt. Die Muskeln besitzen eine gute Adaptionsfähigkeit und brauchen deshalb über einen bestimmten Zeitraum immer wieder neue Reize. Dieses Prinzip nennt sich das Prinzip der progressiven Überlastung. Dieses und weitere vier wichtige Trainingsprinzipien kannst du nochmal in diesem Artikel nachlesen.

Krafttraining speziell für Tänzerinnen

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die eigene Kraft und Kraftausdauer zu verbessern. Klassisches Training im Fitnessstudio mit Gewichten ist eine Möglichkeit. Für die wenigsten Tänzer*innen ist es jedoch die attraktivste.

Als Anregung und Trainingsvorschlag möchte ich einige Möglichkeiten auflisten, die sich zum Teil auch gut in eine Tanzklasse integrieren lassen.

  • Zirkeltraining: Eines der am besten geeigneten Trainings für den Ausbau der Kraftausdauer! Du kannst es Zuhause, draußen oder im Studio durchführen und die Übungen sehr tanzspezifisch gestalten.
  • Pilates: Sehr beliebt für den Aufbau von Muskelkraft, vor allem, da die Übungen sehr tanzähnlich sind und ebenso anspruchsvoll für die Koordination.
  • Rad fahren: Es muss nicht immer gleich das Rennrad sein, einfaches Fahrrad genügt und bietet überzeugende Vorteile: Du bist an der frischen Luft (Sauerstoff kann so anregend sein), du trainierst Grundlagenausdauer bei langen Fahrten mit geringer Intensität, du kannst Kraft und Kraftausdauer trainieren wenn du mehrere Gänge bedienst und du hast die Möglichkeit, Schnellkraft in den Beinen zu trainieren, indem du kurze Sprints einbaust. Bitte zur Sicherheit immer mit Helm 🙂
  • Plyometrisches Training: Übungen mit explosiven Sprung- und Hüpfbewegungen. Hiermit verbesserst du Kraftausdauer und Schnellkraft der Beine. Das neuromuskuläre System wird geschult, schnelle und energische Kontraktionen der Muskeln auszuführen. Außerdem trainiert es auch die Koordination beim Landen, was große Vorteile im Tanz für alle Arten von Sprüngen mit sich bringt.
  • Schwimmen: Hier trainierst du ähnlich wie beim Rad fahren die Grundlagenausdauer und Kraft(ausdauer). Der Widerstand ist dabei das Wasser.
  • Klettern oder Bouldern: Wer es schon mal ausprobiert hat weiß: Klettern beansprucht wirklich JEDEN Muskel des Körpers, selbst die feinsten Fasern im kleinen Finger. Die Muskelkraft und vor allem Stabilität wird hierbei sehr effektiv trainiert. Gleichzeitig beansprucht Klettern auch das Gehirn, denn es geht dabei auch viel um strategische Planung der nächsten Schritte, mentales Durchhaltevermögen und manchmal auch Mut (alles, was für den Tanz auch relevant ist).
Foto: Jonathan Borba von Pexels
Krafttraining macht auch Spaß

Krafttraining ist vielseitig, spezifisch und kann sich an deine individuellen Bedürfnisse anpassen lassen. Auch wenn es anstrengend ist, so muss es nicht immer ätzend sein: Zirkeltraining oder Schwimmen können sehr viel Spaß machen, wenn die Einheit richtig geplant ist.

Untersuchungen mit Tänzerinnen aus dem Zeitgenössischen und Klassischen Tanz haben gezeigt, dass ergänzendes Krafttraining die Tanzleistung deutlich verbessert und die Tänzer*innen vor Verletzungen schützt. Und im Gegensatz zum gängigen Mythos, ist die Warscheinlichkeit sehr sehr gering, dass du dadurch ein kleiner Tanzhulk wirst. Ernsthaft.

Also, worauf wartest du?

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