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Methoden Tanzpädagogik

Performance skills: So kann man den Bühnenausdruck im Unterricht erarbeiten

Eine gute Tanztechnik alleine reicht nicht aus, um das Publikum zu begeistern und einzunehmen. In jedem Fall faszinieren uns athletische und virtuose Schritte, aber das, was uns in Erinnerung bleibt und uns bewegt, sind die Emotionen. Oft ist es gar nicht so einfach, einen bestimmten Ausdruck auf der Bühne darzustellen. In eine Rolle zu schlüpfen und sich selbst zu vergessen. Aber Schauspiel, Mimik und Emotionen gehören zum Tanz dazu. Daher müssen sie im Unterricht ebenso geübt werden, wie die Bewegung. Die folgenden Tipps sollen eine Anregung sein, wie das Erarbeiten von performance skills in den Tanzunterricht eingebaut werden kann.

Unterschiedliche Emotionen erforschen

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nur die Information „spiele, dass du traurig bist“ nicht sofort den Schalter umlegen lässt. Vor allem, wenn ich mich eigentlich nicht traurig fühle, ist es noch schwieriger, diese Emotionen umzusetzen. Stattdessen hilft es sehr, sich einer Emotion auf unterschiedlichen Wegen zu nähern.

1. So viele Informationen wie möglich sammeln

Zuerst macht es Sinn, einen Gefühlszustand so detailliert wie möglich zu beschreiben, den Zustand zu charakterisieren und persönliche Erfahrungen einzubauen. Wenn wir beim Beispiel „Traurigkeit“ bleiben, kann die Aufgabe an die Gruppe sein, zunächst für sich alleine und dann im Austausch miteinander darüber zu reden, wie sich Traurigkeit auswirkt.

Zieht sich meine Brust zusammen?

Welche Position nehmen meine Schultern ein?

Wie halte ich meinen Kopf wenn ich traurig bin?

Bewege ich meine Augenbrauen, was macht mein Mund, mein Gesicht?

Ist die Atmung tief oder flach?

Diese unterschiedlichen Informationen helfen dabei, das Gefühl „Traurigkeit“ nicht nur eindimensional zu betrachten, sondern unter vielen Facetten. Die Tänzer*innen können sich gegenseitig Impulse und Anregungen geben, die für den nächsten Schritt wichtig sind.

2. Ausprobieren und austauschen

Im nächsten Schritt sollten die Tänzer*innen die gesammelten Informationen praktisch umsetzen. Für den Anfang ist es sinnvoll, den Spiegel zu verdecken und einzeln für sich ein paar Minuten lang mit der ausgewählten Emotion „zu spielen“. Es geht darum, unterschiedliche Mimiken zu erforschen und bewusst wahrzunehmen, welche Gesten und Bewegungen eine Emotion hervorrufen kann.

Anschließend ist es wichtig, mit der gesamten Gruppe darüber zu sprechen: Wie hat es sich angefühlt? Was fiel mir schwer? Welche Hindernisse oder Erkenntnisse sind mir aufgefallen? Habe ich noch Unsicherheiten? Was hat besonders gut funktioniert?

Je nach Gruppendynamik und Erfahrung können sich die Schüler*innen ihre Emotionen gegenseitig vorspielen und anschließend Feedback geben.

3. Emotion auf die Bewegung übertragen

Nun stellt sich die Frage, wie wir diese Eigenschaften performativ umsetzen können?

  • Wie nutze ich den Raum?
  • In welche Richtungen bewege ich mich?
  • Wohin geht mein Blick?
  • Welches Energielevel erreichen meine Bewegungen?
  • Was macht meine Körperspannung?
  • Sind die Bewegungen fließend? Gibt es Akzenten? Brüche?

Es funktioniert gut, die Schüler*innen zunächst offen an die Bewegung rangehen zu lassen und sich über die Improvisation eigene Gedanken zu machen. Nach und nach können von außen einzelne Fragestellungen hineingegeben werden, die in die Bewegungs-Improvisation einfließen.

Wenn bereits eine Choreographie steht und es darum geht, eine Emotion in die gesetzte Schrittfolge einzubringen, dann kann mit den gleichen Fragen wie oben verfahren werden, mit der Änderung, dass die Tänzer*innen einzelne Elemente und Sequenzen aus der Choreo nehmen und diese anhand der obigen Fragen „analysieren“.

4. Musik ist ein Nährboden für Emotionen

Musik ist häufig der einfachste Zugang zu unterschiedlichen Emotionen. Je nachdem, wie ich mich fühle, höre ich eine bestimmte Musik. Das kann auch im Tanzunterricht gut eingesetzt werden. Wenn schon eine Musikauswahl getroffen ist, dann kann sie gemeinsam analysiert werden. An welchen Stellen innerhalb der Choreographie transportiert die Musik Emotionen? Auf welche Weise unterstützt sie die Bewegung und an welcher Stelle muss die Bewegung, also der Tanz, die Musik unterstützen? Gibt es sogar Gegensätze?

Wenn es darum geht, verschiedene Bühnenausdrucksweisen zu üben, dann können die Tänzer*innen im Unterricht die Aufgabe bekommen, zu unterschiedlichen Musikstücken eigene kleine Sequenzen auszudenken und die Musik zu interpretieren. Das schult die Wahrnehmung und fördert gleichzeitig die Kreativität.

5. Nah- und Fernwirkung testen

Ob Gefühle und Stimmungen beim Publikum ankommen hängt meistens von der Intensität des Ausdrucks ab. Wenn ich Menschen sehr nah bin, dann kann ich schon die kleinsten Regungen im Gesicht wahrnehmen. Wenn ich sehr weit weg bin, dann kann ich es nicht immer sofort erkennen. Für mich ist es immer besonders spannend, mal bei einer Vorstellung sehr nah an der Bühne zu sitzen, weil man einfach ein viel detailreicheres Bild von den Künstler*innen bekommt.

Im Unterricht oder bei den Proben kann zwischen jeder neuen Erarbeitung dieser Nah-und Ferntest gemacht werden. So bekommen die Tänzer*innen ein Gefühl dafür, ob sie zum Beispiel ihre Gesten größer tanzen sollten. Die Gruppe kann in zwei Hälften geteilt werden, während eine Gruppe ein mal aus der Nähe und ein mal von so weit weg wie möglich beobachtet. Die andere Gruppe tanzt eine bestimmte Sequenz. Danach tauschen die Gruppen und am Ende werden die Beobachtungen geteilt.

Regelmäßige Übung schafft Sicherheit

Es ist wirklich anspruchsvoll, sich in Rollen hinein zu versetzen und unterschiedliche Emotionen zur Schau zu stellen. Für einige erfordert es sogar sehr viel Mut und Überwindung. Wenn im Training regelmäßig kleine „Schauspiel-Einheiten“ einbezogen werden, dann wird es mit der Zeit viel einfacher und selbstverständlicher, mit dem Ausdruck zu spielen.

Entscheidend ist, dass eine wertschätzende und sichere Arbeitsatmosphäre geschaffen wird, denn nur dann können sich die Schüler*innen öffnen und erfolgreich an der Aufgabe arbeiten. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass wenn Material Schritt für Schritt erarbeitet und besprochen wird, es vor allem Jugendlichen viel einfacher fällt, Rollen auf der Bühne darzustellen. Es ist das regelmäßige Bewusstmachen und sich darüber austauschen, was Vertrautheit mit dem Material schafft und Sicherheit im Umgang und in der Interpretation gibt.

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