Trisha Brown (1936-2017) war eine US-amerikanische Tänzerin und Choreographin. Sie arbeitete in den 1960er Jahren mit Anna Halprin in New York zusammen und war Mitbegründerin des Judson Dance Theater. Im Jahr 1970 gründete sie ihre eigene Company, die Trisha Brown Dance Company, die nach wie vor in New York existiert und Trishas Stücke weiterleben lässt.
Gegen die Regeln – Dekonstruktion des Modernen Tanzes
Ihren Choreographien liegt ein experimenteller Ansatz zugrunde, wie Körperlichkeit und Bewegung als Tanz wahrzunehmen ist und gedeutet werden kann. Trisha Brown und die Tänzer:innen des Judson Dance Theater lehnten in gewisser Weise die Regeln des Modernen Tanzes ab. So wird ihnen häufig auch die Bewegungssprache des postmodern dance zugeschrieben. Kleine, unscheinbare Bewegungen bilden häufig den Kern einer Komposition und sind sehr detailreich und somit im Gesamtkontext komplex. Die Dynamik der Bewegung ist sehr losgelöst und fließend aber gleichzeitig kraftvoll. Dennoch lehnte Trisha Brown es ab, die Release Technik als Basis ihrer Tanzsprache zu definieren. Vielmehr ging es ihr um einen improvisatorischen Ansatz und darum, den Blick auf das Besondere einer alltäglichen Bewegung zu lenken als um eine spezifische Technik. Nichtsdestotrotz waren die tanztechnischen Ansprüche an ihre Tänzerinnen hoch.
„If I am beginning to sound like a bricklayer with a sense of humor, you are beginning to understand my work.“
Trisha Brown on Pure Movement, https://www.dancemagazine.com/trisha_brown_on_pure_movement-2306909524.html
In ihren Werken war die Improvisation der Dreh- und Angelpunkt des Tanzes. Sie experimentierte mit strukturierter Improvisation, dem Ansatz, die Bewegung vom Zufall leiten zu lassen und gleichzeitig festgesetzten Spielregeln zu folgen. Ebenso interessierte sie sich für das Fallen aus dem Gleichgewicht. Auch der Raum spielte für sie eine wichtige Rolle, weniger die Bühnenmitte als vielmehr die Ecken, Gassen und Wände.
Trisha Brown eckte an und forderte die Seh- und Tanzgewohnheiten des Publikums aber auch der Tänzerinnen heraus. Oft war es nötig, mehrmals hinzuschauen, um die Komposition zu erfassen. Diese Tatsache macht aber ihre Werke so spannend und ihre Bedeutung wirkt in die heutige Zeit hinein.
Wie Trisha Brown mich herausfordert und inspiriert
Ich muss zugeben, ich mag Regeln und Struktur. Und Ordnung. In meinen zeitgenössischen Trainings oder Workshops bediene ich mich zwar viel der Improvisation, aber baue viel auf den Grundtechniken des Modern Dance auf. Old fashioned, I know. Ich denke aber, dass es hilfreich sein kann, Bewegung und Tanz über die technische Seite kennenzulernen, um anschließend frei und experimentell zu arbeiten. Dieser Weg funktioniert natürlich auch umgekehrt. Diese Vielzahl an Herangehensweisen im Zeitgenössischen Tanz gefällt mir und fordert auch meine Kreativität und Methodik immer wieder heraus.
Etwas tiefer kennengelernt habe ich die Arbeit von Trisha Brown bei einem mehrtägigen Workshop in der Tanzfabrik Berlin. Judith Sánchez Ruíz, eine ehemalige Tänzerin der Trisha Brown Dance Company, hat mit uns Sequenzen aus dem Stück Set and Reset erarbeitet. Zugegeben, ich habe echt zwei oder drei Tage gebraucht, um mit dem Repertoire warm zu werden und es zu genießen. Fast jede Bewegung wirkt beliebig und unscheinbar, muss aber sehr präzise ausgeführt werden. Gleichzeitig musstest du das richtige Gleichgewicht finden zwischen einer kraftvollen und einer losgelösten Ausführung. Es waren super intensive und anstrengende Tage. Sie haben aber mein künstlerisches und pädagogisches Vorgehen beeinflusst und so arbeite ich stets an der Idee, die Interaktion und Wechselwirkung von Bewegung mehr in den Mittelpunkt zu rücken statt die Technik.
Set and Reset – Der Name ist Programm
Das Stück Set and Reset wurde 1983 uraufgeführt und gilt bis heute als eine ihrer bedeutendsten Choreographien. Es wirkt wie ein Spielchen auf der Bühne, chaotisch und unabsichtlich. Set and Reset entstand aus der Improvisation heraus. Die Tänzer:innen experimentierten, beobachteten und wiederholten. Die improvisierten Sequenzen wurden festgelegt und in eine Reihenfolge gebracht, teilweise auseinandergepflückt und an anderer Stelle wieder zusammengesetzt. Dabei ging der improvisatorische Charakter des Stückes aber nie verloren. Beim Zuschauen sieht es so aus, als sei jede Bewegung und jede Begegnung der Tänzer:innen zufällig. Doch auch nach fast 40 Jahren bleibt jede Geste präzise festgelegt.
Fasziniert hat mich am Ende diese Leichtigkeit des Tanzes, die nur durch Anstrengung und Präzision erzielt werden konnte. Das klingt sehr widersprüchlich und genau dieser Widerspruch ist es, der mich so fesselt an Trisha Browns Repertoire und ihrem Wirken.
„Trisha taught us to see things that are not obvious. And to keep looking.“
Wendy Perron, aus https://www.dancemagazine.com/a-farewell-to-trisha-brown-2325186639.html
Weiterführende Infos
- Artikel zu Trisha Browns künstlerischem Wirken im dancemagazine
- Das komplette Trisha Brown Repertoire
- Alles zu Trisha und der Trisha Brown Dance Company in NY
- Artikel aus der New York Times über die Pionier:innen des Postmodern Dance, 60 Jahre später